TourTipp Saarland

Die Völklinger Hütte - ein Besuch des UNESO Welterbe

Adresse: Rathausstraße 75-79, 66333 Völklingen (Parkplatz Völklinger Hütte)
Koordinaten: N49.24703° E6.84514°
Web: https://voelklinger-huette.org
Eintritt: 17 Euro Erwachsene, Schüler Azubis; Studenten frei (Stand 7/2022)

Die Völklinger Hütte gilt als einziges komplett erhaltenes Eisenwerk aus der Blütezeit der Industrialisierung. Über 100 Jahre alt ist der Standort - in sechs Hochöfen wurde bis zur Stilllegung im Jahre 1986 Eisen produziert. Heute steht das Hütten-Gelände unter Denkmalschutz und zählt zum UNESCO Welterbe.

Rund 7,5 Hektar können von dem einstigen Areal besichtigt werden - darunter die wichtigsten Stationen der Eisenproduktion inklusive der Gichtbühne in 27 Meter Höhe auf dem das Material den Hochöfen zugeführt wurde.

Im Vergleich zum Landschaftspark Duisburg (Ruhrgebiet) das auch ein ehemaliges Hüttengelände mit 5 Hochhöfen ist, hat die Völklinger Hütte eher einen musealen Charakter. Zahlreiche Tafeln mit Hintergrundwissen, Videoinstallationen und Ton Dokumente machen die Arbeit auf der Hütte begreifbarer, die eigentlichen Bauten werden sich mehr oder weniger selbst überlassen.

Auch wenn ich am Rande des Ruhrgebietes groß geworden bin und den Anblick von Hochöfen und Stahlwerken gut kenne, so war eine Besichtigung der Völklinger Hütte ein eindrucksvolles Erlebnis.

Mindestens einen halben Tag Zeit sollte man sich nehmen und da viele Bereiche im Freien liegen sollte man einen trockenen Tag wählen.

Für tiefgreifende Hintergrundinfos empfehle ich die Webseite der Völklinger Hütte, hier unsere Eindrücken von einem Rundgang.

Die Gebläsehalle - ein Besuch der Völklinger Hütte

Vom Parkplatz läuft man zunächst ein Stück entlang der Rathausstraße bis zum Eingang der Völklinger Hütte. Fabrikhallen und hohe Mauern säumen den kurzen Weg. Aus der Ferne ist die Hochofengruppe erkennbar, der dichte Verkehr lärmt direkt neben dem schmalen Gehweg. Eher all das, was wir sonst auf einsamen Waldpfade meiden, aber für unberührte Natur sind wir heute nicht hier.

Der Eingang liegt im Erdgeschoss der Gebläsehalle, 17 Euro Eintritt - ein stolzer Preis. Tipp: wer zwei Tage hier ist, es gibt ein Kombi Ticket für 20 Euro. Wo früher die Schwerindustrie über ein Jahrhundert funktionierte, versagt heute bei unserem Besuch das elektronische Kassensystem. Aber das wird unkompliziert gelöst, wir sollen einfach beim Verlassen bezahlen …

Wir bahnen uns den Weg durch den Museumsshop und eine Etage höher stehen wir in der riesigen Gebläsehalle. Einfamilienhaus große Schwungräder haben hier einst den Wind erzeugt um in den Hochöfen den Koks zu verglühen, es riecht überall nach Öl, gradeso als wenn die Produktion kurz angehalten wurde. Das ist beeindruckend für alle Sinne.

Kleine Schauaperaturen erklären die Zusammenhänge, alte Spinde und Trafostationen sind stumme Zeitzeugen.

Die Halle wird auch gleichzeitig als Ausstellungshalle benutzt. Aktuell läuft bei unserem Besuch die „Urban Art Biennale“ und „The World of Music Video“.  Große Leinwände zeigen die berühmtesten Musik Videoclips zwischen den Maschinen - ich empfinde das eher als störend - aber kann verstehen das ein solches Gelände natürlich für die Symbiose aus alt und neu prädestiniert ist. Überhaupt wird hier nicht Versucht das Außengelände zu konservieren, sondern neues zu schaffen, aber dazu später im Paradies mehr.

Über eine Brücke gelangen wir von der Gebläsehalle auf das auf der anderen Straßenseite liegende Gelände.

Mit wird fast schwindlig von den Begriffen wie Sinter, Ferrodrom, Kokerei und Co. und frage mich, wo stehe ich hier überhaupt - also innerhalb der Eisenproduktion.

Hintergrund - wir funktioniert eine Eisenhütte?

Aus meiner Schulzeit erinnere ich mich noch schwach an die Funktionsweise eines Hochofens: oben Eisenerz und Kohle rein, durch das Abbrennen der Kohle wird das Erz aufgeschmolzen und unten kommt flüssiges Eisen und Schlacke raus.

Das reicht vielleicht noch für eine 4- Note im 5. Klasse Referat, erklärt aber immer noch nicht die Wegweiser und Zusammenhänge hier. Aber keine Sorge, vor Ort stehen Schaubilder die einem nochmal die Zusammenhänge erläutern.

Schaut man sich die Zutaten für den Hochofen an, wird es um einiges klarer:

Kohle
Die einfache Steinkohle „brennt“ einfach nicht gut genug um die entsprechende Hitze zu erzeugen und muss erst in der Kokerei zu Koks umgewandelt werden.

Eisenerz
In den Hochofen kommt nicht nur das Eisenerz, sondern auch andere Zuschläge und Altmetall die in der Möllerhalle gelagert werden. Von dort ging es für Erz & Co. mit dem Schrägaufzug zu den Hochöfen.

Feuer
Im Hochofen passiert nur was wenn es auch so richtig heiß ist. Über die Gebläseanlage wurde also „richtig Wind gemacht“ der nochmal an den Hochöfen aufgeheizt wurde. Der heiße Wind wurde dann in die Öfen gepustet. Damit nur das Metall im Erz schmolz und nicht der Hochofen, mussten die Öfen außen mit Wasser gekühlt werden.

Wo Feuer ist, ist auch Rauch - und zwar mächtig Qualm mit Kohlenstaub und Co. Der wurde in der Trockengasreinigung abgekühlt und die Feststoffe über die Sinteranlage wieder zugeführt. Das Gas trieb dann wieder die Gebläsemaschinen an ….

Ein ewiger Kreislauf der nur kurze Ausfallzeiten akzeptierte.

Ich bin keine Hochofen-Fachmann - aber so in etwa sind die Zusammenhänge und die sollte man bei einem Besuch auf der Völklinger Hütte kennen.

Die Sinteranlage - Rundgang auf der Völklinger Hütte

Die Fußgängerbrücke zur Hauptseite des Hüttengeländes ist umrahmt von dicken Rohren. Rostbraun ist die Lieblingsfarbe der Natur hier.

Auf der anderen Seite angekommen betreten wir ein fast beängstigendes Halbdunkel. Durch kleine Fenster im Boden schauen wir auf riesige Steinbrecher. Hier wurden die für den Hochofenprozess zu kleinen Erzbrocken und die Stäube, die im Hochofengas (Gichtgas) enthalten waren zusammen gebacken und in hochofengerechte Stücke gebrochen. Aus dem Off erzählt eine Stimme über seine ersten Arbeitstage auf der Ebene - unfassbar heiß, staubig und eine ohrenbetäubender Lärm. Irgendwo am Ende steht eine überdachte Holzbank direkt neben den Ungetümen - die Pausenbank der Arbeiter im Dröhnen der Maschinen.

Gut das wir an der Kasse einen Lageplan bekommen haben, auf dem können wir uns orientieren wie der Rundweg verläuft. Vieles ist ausgeschildert, aber ist nun die Erzhalle die nächste Station?

Im hinteren Teil der Sinterhalle ist ein Video Raum, der Film läuft grade auf französisch, vielleicht kommen wir später noch einmal zurück. Im Untergeschoss sind endlose rostige Boxen mit Nummern aufeinander gestapelt, über eine Glasplatte wird der Blick von oben frei gegeben. Es ist der Erinnerungsort und die Dokumentationsstätte der Zwangsarbeiter in der Völklinger Hütte aus den beiden Weltkriegen. Geht man durch die engen Gänge im Untergeschoss durch die Installation werden aus dem Off Namen geflüstert bevor man vor einem Berg Zwangsarbeiterkleidung steht. Das ist in diesem Umfeld der riesigen Maschinen Gänsehaut pur und stammt vom Künstler Christian Boltanski.

Erz- und Möllerhalle - ein Besuch der Völklinger Hütte

Es geht raus an die frische Luft zur Erzhalle und die Stimmen der Arbeiter aus dem Off und die Bilder der Gedenkstätte verblassen. Hier ist es dann auch recht unspektakulär. Ein riesiger Hof, ein paar Bahngleise, ein geschlossener Biergarten. Der Funke springt nicht wirklich über, kaum vorstellbar das hier die Berge von Erzgestein zwischengelagert wurden.

Wir folgen der Beschilderung und ereichen hinter der Sinteranlage die Möllerhalle. Große Betonsilos liegen unter uns. Über einen schmalen Metallsteig laufen wir hoch oben über die Silos. Hier wurde das Material angeliefert und abgekippt. Tief unter uns die Loren mit denen das Material über den Schrägaufzug zu den Hochöfen transportiert wurde. Manche Silos sind noch teilweise gefüllt als wäre die Zeit stehen geblieben.

Uns kommet eine Gruppe französischer Influencer auf der schmalen Bühne entgegen. Schon am Gang des Kameramanns erkennt man die  spätere Filmqualität - Kameraleute haben eher so eine Kriechgang in gebückter Haltung, das vertikale auf-und-ab mit jedem Schritt kann kein Stabilisator auffangen. Vielleicht wird es auch eine Hipp-Hopp Produktion denke ich mir bei den Bewegungen.

Unten in der Möllerhalle sind Werke der Urban Art Biennale zu sehen, für mich etwas befremdlich da mein Ziel ist die Völklinger Hütte zu erkunden, aber klar, auch ein altes Eisenwerk braucht eine Zukunftsperspektive.

Wir klettern vom Steg herunter und kommen wieder ins Freie.

Die Hochöfen und Gichtbühne - ein Rundgang auf der Völklinger Hütte

Direkt neben uns steht das Gerüst des riesigen Schrägaufzugs mit dem Erz und Kohle in Loren zu den Hochöfen transportiert wurde. Es geht nun hoch hinaus. Doch bevor wir die Treppen zur Gichtbühne erklimmen müssen wir uns Helme ausleihen (kostenlos).

Nach unzähligen schmalen Treppenstufen aus Gitterrosten stehen wir auf 27 Metern Höhe auf der Gichtbühne der Hochofengruppe. Die Loren kommen hier wie ein überdimensionierter Sessellift an und werden über die Öffnungen der Hochöfen transportiert. Während tief unter uns alle 5 Stunden der Hochofen angestochen wurde um das flüssige Eisen und Schlacke zu entnehmen, wurde hier oben kontinuierlich nachgefüllt. Wahrscheinlich einer der härtesten Jobs auf der Völklinger Hütte, Nachts bei Wind und Kälte auf der Plattform zu arbeiten, während unter und vor einem im Ofen bei 2.000 Grad das Eisen im Erz schmilzt.

Von der Gichtbühne geht es noch etwas weiter nach oben zu einer Aussichtsplattform - mir reicht die Höhe und Ausblick, wir steigen wieder ab.

Der Komplex der Trockegasreinigung ist noch nicht für den Besucher geöffnet. Das ausströmende  Gas der Hochöfen wurde hier gereinigt. Die Filterstäube kamen in die Sinteranlage, das gereinigte Gas wurde für die Gebläsemaschinen und zur Winderhitzung genutzt.

Die Kokerei der Völklinger Hütte

Steinkohle wurde hier einst zu Koks verwandelt. Bei mehr als 1.000 Grad wurde die Steinkohle unter Luftabschluss zu Koks (reiner Kohlenstoff) umgewandelt. Nur der reine Kohlenstoff war für die Reduktion von Eisenoxiden zu Eisen in den Hochöfen geeignet.

Das große Areal der Kokerei der Völklinger Hütte holt sich heute die Natur zurück. Junge Baumtriebe wachsen durch die Förderbänder, erstes Grün zeigt sich zwischen den Stahlplatten auf denen einst der glühende Koks mittels Maschinen aus den Kokskammern gedrückt und anschließend mit Wasser abgelöscht wurde. Als „Paradies“ wird es heute von der Völklinger Hütte selbst bezeichnet. Ein Ort an dem sich Flora und Fauna die Reste der Industrialisierung zurückholt - langsam, aber beständig.

Und damit schließt sich der Kreis. Wird in der Gebläsehalle altes bewahrt, in der Sinteranlage auf dunkle Zeiten zurück geblickt, entsteht hier in der Kokerei neue Natur.

Vorbei am Schrägaufzug und entlang der Handwerkergasse laufen wir zum Ausgang zurück. Wow - diese Eindrücke hätten wir so nicht erwartet - und das als Kinder des Ruhrgebiets.

Ich danke der Völklinger Hütte für die freundliche Bildfreigabe und den fachlichen Anmerkungen zu diesem Text. Eine Bild Weitergabe der Aufnahmen ist aus Lizenzgründen leider nicht möglich.

Disclaimer: Wir haben unseren Eintritt am Ende Tour auch ganz normal bezahlt. Die Tour ist weder gesponsert noch sonst irgendwas. Aber wer die Völklinger Hütte mal besucht hat wird feststellen, das sie mit den "großen" Eindrücken Deutschlands mithalten kann. Klar - nicht das große Naturerlebnis, aber Einducksvoll auf auf ihre ganz besondere Art.

Völklinger Hütte

Kommentare